Die Sturmwächter-Chroniken Kapitel 5

Was es mit dem Folgenden auf sich hat, findet ihr HIER heraus...



Es bleibt ihnen jedoch kaum Zeit, noch länger irgendwelche Thesen aufzustellen, denn zu ihren Füßen, nicht unweit unterhalb des Plateaus, werden Bewegungen sichtbar. Aktanaruell bemerkt es als erste.
„Habt ihr das eben auch gesehen?“, fragt sie misstrauisch. Beide Frauen bemerken, wie ihre Konzentration drastisch zunimmt, als Amazeran sie beide dank einer schnellen Geste seiner Hände mit einem Stärkungszauber belegt. Es besteht kein Zweifel, dass er das, was da auf sie zukommt, als Gefahr einstuft.
„Also schön… endlich was zum töten“, flüstert Leliana und beginnt ihrerseits, einen Zauber zu wirken. An ihrer Seite erscheint Haanam, ein Teufelshund. Sie schickt ihn Kraft eines Gedankens hinter eine Ansammlung kleinerer Felsblöcke, an denen das Wesen vorbei muss, um auf das Plateau zu gelangen. Nun warten sie.
Wenige Momente vergehen, in denen weder etwas zu hören noch zu sehen ist. Das Licht der Sonnen, die sich unaufhaltsam in weiter Ferne über den Horizont schieben, tastet sich Stück um Stück zu dem Plateau nach vorne.
Einige Kiesel, kaum dreißig Schritt von ihnen entfernt, bewegen sich plötzlich.
Haanam richtet den augenlosen Kopf auf und wartet auf sein Zeichen, Aktanaruell und Leliana zögern nicht länger und bedecken den Boden vor sich mit Feuer und Blitzen.
Im Bruchteil einer Sekunde wird ihr Widersacher kurz sichtbar, dann verschwindet er wieder. Amazerans Frostnova hält ihn schließlich an Ort und Stelle.
Ein schwarzer, rauchschwaden-umhüllter, großer Wolf steht vor ihnen, die Zähne angriffslustig gefletscht, aggressive, pupillenlose rote Augen starren ihnen entgegen.
Geifernd und wild vor Wut untersucht er schnell das Eis, das seine riesigen, krallenbewehrten Pfoten gefangen hält. Ein tiefes Knurren ist zu vernehmen, da verschwindet er so plötzlich wie er aufgetaucht ist und klirrend bricht das Eis, welches ihn gefangen gehalten hat.

„Wo-“, ist alles, was Leliana sagen kann, ehe das Tier wenige Schritte vor ihnen erneut auftaucht und sich zum Sprung bereit macht. Aktanaruells Eislanze zischt an der Hexe vorbei – und wird von dem Monster absorbiert! Von ihrer Überraschung kurz aufgehalten, schafft es nun auch Leliana, ihre Kräfte zu sammeln und wirft dem Ungetüm einen Schattenblitz entgegen – auch dieser Zauber verfehlt seine Wirkung, vergeht einfach in den Schatten.
Ungeachtet ihrer Anstrengungen, sich zu wehren, setzt der Wolf unterdessen zum Sprung an, als ihn etwas unvermutet zu Boden reißt.
Haanam stürzt sich mit aller Kraft auf den Gegner und zehrt offensichtlich an dessen Magie – der zweite Versuch, zu verschwinden, wird dank der Fähigkeiten des Teufelshundes verhindert.
„Keine Ahnung, ob das funktioniert...“, meint Amazeran, bevor er seine Arkanmagie einsetzt, um mehrere Geschosse auf das Wesen herabschießen zu lassen. Doch tatsächlich: Seine Bedenken, das Monster könnte auch seine Magie einfach aufsaugen, sind unbegründet. Haanam hat währenddessen ganze Arbeit geleistet und verbeißt sich ein letztes Mal im Genick des Wolfes, das mit einem hörbaren Knacken nachgibt und ihn mit einem lauten Winseln in den Tod gehen lässt.
„Was bei den Göttern...“, entfährt es Aktanaruell, die ungläubig auf ihre Handflächen starrt, als habe sie sich selbst verraten. „Meine Magie hat nicht funktioniert! Und deine auch nicht.“

Leliana nickt nur grimmig und schaut in Richtung Buch hinter ihnen. Es glimmt in seinem Bannkreis kurz auf, doch ihre Aufmerksamkeit wird wieder zu dem Wolf gezogen, als sie hört, wie ihre Gefährten verwundert aufkeuchen.
„Wo ist er hin?“, fragt die Magierin, während Amazeran sich der Stelle nähert, an der ihr Widersacher einen Moment zuvor noch gelegen hat.
„Im Buch“, behauptet Leliana dann, als sie ihre Schlüsse aus dem Gesehenen zieht.
„Das würde erklären, wieso eure Magie ihm nichts anhaben konnte...“, überlegt Amazeran laut.
„Was würde das erklären?“, hakt Aktanaruell nach, die noch immer nichts kapiert und immer mehr Frust darüber verspürt, hier mit ihrer geballten magischen Kraft offensichtlich nicht weiter zu kommen. So machtlos hat sie sich noch nie gefühlt und es gefällt ihr ganz und gar nicht.
„Ihr habt das Buch mit eurer Magie herbeischaffen wollen. So wie ich das sehe, hat es dadurch eure Kräfte irgendwie absorbiert und ist immun dagegen. Wenn dieser Wolf mit der Magie des Buchs zu tun hat, war er dadurch gegen euch geschützt. Mein Zauber hat schlussendlich funktioniert – wobei jetzt die Frage ist, ob das auch weiterhin der Fall ist. Indirekt habe ich nämlich jetzt genauso gegen diesen Folianten Magie eingesetzt.“ Amazerans Gesichtsausdruck verdunkelt sich zunehmends bei seiner Erklärung.

„Aber Haanam konnte es auch bekämpfen – oder denkst du, weil er aus der Leere stammt, und somit nicht von meiner Magie erschaffen wurde, haben seine Angriffe Wirkung gehabt?“, hält Leliana dagegen. Ihre Stirn legt sich nachdenklich in Falten, als sie das zustimmende Nicken des Magiers wahrnimmt.
„Okay, also saugt dieses Buch alles auf, was in seiner Nähe passiert oder wie? Dann sollten wir von hier verschwinden!“, meint Aktanaruell. „Was, wenn noch mehr von denen auftauchen oder sonst was? Und wir können nichts dagegen ausrichten…?“
„Guter Punkt“, stimmt Amazeran zu und lässt den Blick in die Ferne schweifen. Genau in dieser Sekunde vernehmen sie ein warnendes Grollen, doch zu spät:
Aktanaruell schießt instinktiv mit ihrer Magie, doch der Feuerzauber trifft ins Leere – in die sie ebenfalls verschwindet, ohne, dass ihre Gefährten die Chance haben, selbst einzugreifen.
„Wo ist sie hin?!“, fragt Leliana und wendet sich hektisch von links nach rechts.
„Wir haben keine Zeit, das rauszufinden“, sagt Amazeran und bereitet einen Blizzard vor, der sie vor weiteren unsichtbaren Gefahren in ihrer Nähe schützt. „Siehst du die Anhöhe da vorn? Platziere ein dämonisches Portal, damit wir hier weg kommen.“
„Aber...“
„Wir sind nutzlos für Aktanaruell, wenn wir auch verschleppt werden!“
Dieser simplen Logik hat sie nichts entgegen zu setzen und folgt somit den Anweisungen des Magiers. Einen winzigen Moment, den es dauert, den Zauber zu beenden und selbst durch das Portal zu schreiten, das sie etwa dreißig Schritt entfernt in Sicherheit bringen soll, spürt Leliana den Hauch von warmem Atem an ihrer Wade. Sie dreht sich instinktiv um, nachdem der Portalzauber sie fort gebracht hat, und erschaudert. Mit gesträubtem Fell stehen drei der Kreaturen am Rande der Plattform, auf der
sie eben noch gestanden hatte, und starren sie lauernd an.
„Spring!“, befiehlt Amazeran unverzüglich, der bereits Zeit hatte, ihre neue Situation zu bewerten.
„Was?!“, keucht Leliana ungläubig und dreht sich endlich um, damit sie verstehen kann, welchen Plan der Magier verfolgt. Die Anhöhe, auf der sie sich befinden, führt in ein sandiges Tal, in das bereits die ersten Sonnenstrahlen fallen.

„Runter da!“, ist die nächste knappe Anweisung, die sie bekommt, da ihr Blick erneut nach hinten zu den Wölfen schweift.

Die haben weniger gezögert und bereits die Verfolgung aufgenommen, wie der Hexe nun klar wird. Genauso, dass der Geduldsfaden ihres Gefährten im Angesicht des Todes ein kurzer zu sein scheint – sie spürt, wie ein Lufthauch sie durchströmt und zeitgleich eine Hand ihren Oberarm greift und mit Schwung über den Rand befördert. Ein erschrockenes Aufkeuchen und das furchtbare Gefühl, dass ihr Herz einen Schlag aussetzt später, beruhigt sie sich wieder, denn der scheinbare Sturz ins Jenseits stellt sich als sehr langsam heraus. Amazeran hat seine Magie dazu benutzt, die Gesetze der Schwerkraft für einige Augenblicke für sie außer Kraft zu setzen. Dennoch währt ihre Freude über den flüchtigen Moment der Sicherheit nur kurz, denn ein Blick unter ihre Füße lässt Böses erahnen. Knurrend und bellend rennen die Wölfe hinter ihnen her, aus den Augenwinkeln bemerkt Leliana, dass Amazeran kurz gestikuliert, dann aber leise fluchend abbricht.
„Sie sind zu weit weg“, erklärt er ihr, während ihr langsamer Fall andauert.
„Dann rösten wir sie eben später“, meint die Hexe achselzuckend und kneift die Augen leicht zusammen, als sie vom Schatten ins Sonnenlicht schwebt, noch etwa vierzig Fuß vom Boden entfernt.
Lautes Winseln und schmerzerfülltes Aufheulen lenkt ihre Aufmerksamkeit wieder auf die tierischen Verfolger, die, wie sie nun verwundert feststellt, in rauchende Flammenbälle aufgehen. Ein kurzer Blick zu ihrem Begleiter und sie weiß, dass er diesmal nicht dafür verantwortlich ist. Noch ein paar Sekunden, und sie landen unbehelligt im gleißenden Sonnenlicht auf dem kargen, sandigen Boden, der hier und da von ein paar Felsen gesäumt wird.
„Perfekt. Das hatte ich mir erhofft“, kommentiert der Magier das Geschehen.
„Erhofft…?“, hakt Leliana misstrauisch nach.
„Nun, es gab natürlich noch einen Plan B, aber aufgrund meiner weitläufigen Kenntnisse bestand eine etwa siebenundsiebzig prozentige Chance, dass dieses Vorhaben funktioniert und sie im Sonnenlicht sterben. Sie mussten nur gierig genug sein, um unvorsichtig zu werden und uns ins Licht folgen.“ Staunend über so viel Wagnis bringt Leliana keinen Ton heraus. „Also dann, machen wir uns auf die Suche nach Hilfe, würde ich sagen.“

Mangels Alternativen nickt sie einfach nur und beschwört erneut ihren Teufelshund, der noch irgendwo auf der Anhöhe wartet. „Hast du denn auch eine Theorie, was mit Aktanaruell passiert ist?“, fragt sie, immer noch unwohl bei dem Gedanken, ihre Freundin zunächst nicht in Sicherheit zu wissen.
„Den letzten Ereignissen nach zu urteilen, sind das Schattenwölfe gewesen. Sie können in einer Art... Zwischenwelt verschwinden und dann wann immer und wo immer wieder auftauchen. So wie ich das sehe, wurde Aktanaruell entführt und verschleppt.“
„Genau wie Tac...“, überlegt Leliana laut. „Wir sollten schleunigst rausfinden, mit wem oder was wir es zu tun haben...“
„Ganz meine Meinung.“
Und damit setzen sie sich in Bewegung, so etwas wie ein alter Pfad führt in östliche Richtung, dem sie beschließen zu folgen. Sie vermuten zumindest, dass es eine Straße gewesen sein muss, denn lange Stangen, die offenbar einst als Wegweiser und Fackeln gedient haben, säumen in unregelmäßigen Abständen ihre Flanken. Manche sind abgebrochen oder komplett vergraben unter dem feinkörnigen Sand, der mit Anstieg der Sonnen mehr und mehr zu funkeln beginnt. Die Luft ist trocken und heizt langsam auf, während der Tag voranschreitet...


"Es gibt Menschen, die es nie begreifen
Wir bewerfen sie mit Ziegelsteinen!
Dafür muss man nicht mal auf die Straße gehen -
Ach wie gut, dass wir im Glashaus leben!"