Die Sturmwächter-Chroniken Kapitel 6

Was es mit dem Folgenden auf sich hat, findet ihr HIER heraus...




Nach einigen schier endlos erscheinenden Stunden seufzt Leliana resigniert auf, was Amazeran, der sich wenige Schritte vor ihr befindet und den Weg vorgibt, dazu bringt, einen Blick nach hinten zu werfen.

„Ich hab das blöde Gefühl, dass wir im Kreis laufen...“, äußert sie missmutig ihre Bedenken und schaut finster auf ihre unmittelbare Umgebung – an deren Aussehen sich seit Beginn ihrer Flucht vor den Wölfen nichts geändert hat. Außer, dass es stetig heißer wurde, je länger sie marschierten.

„Das kann gar nicht sein“, hält der Magier dagegen und öffnet ein Pergament, das er aus den Tiefen seiner vielzähligen Taschen zieht. „Sieh her“, er hält es ihr demonstrativ vor die Nase. Zunächst ist auf dem vergilbten Papier kaum etwas zu erkennen. Da entdeckt sie plötzlich einen schwach leuchtenden, blauen Punkt – direkt daneben einen in lila.

„Wann hast du das denn gemacht?“, fragt Leliana verwundert und starrt weiterhin auf die magische Karte, wie sich nun erkennen lässt. Ihr Startpunkt, der mit einem schwarzen Pfeil einige Zentimeter im Zickzack hinter ihren Punkten liegt, pulsiert im Gegensatz zu ihrem Aufenthaltsort nicht.

„Kurz nach Aktanaruells Verschwinden. So kann ich verfolgen, wo wir uns gegenwärtig befinden. Auch für den Fall, dass es dich als nächstes erwischt“, fügt er beiläufig hinzu ohne zu realisieren, dass Leliana von dieser nüchternen Bemerkung alles andere als begeistert ist.

„Praktisch...“, murmelt sie nur und übergeht den Teil, der sie noch schlechter gelaunt zurücklässt. „Und hast du auch einen Trick, um uns hier raus zu bringen?“

„Außer dem gutem, alten ‚Folge deiner Intuition‘ leider nicht“, antwortet er ehrlich. „Also suchen wir mal weiter.“

„Und wonach?“, kommt es von der Hexe, die eilig hinter dem sich wieder in Bewegung setzenden Amazeran her läuft.

„Woher soll ich das wissen?“, ertönt es etwas resigniert von vorn, was ihr den Eindruck vermittelt, dem ebenso unwissenden Magier langsam auf die Nerven zu gehen. „Vielleicht gibt‘s am Ende ja ein Haustier zur Belohnung.“

„Meinst du echt?!“, springt Leliana schneller darauf an, als ihr Hirn die Information und den darin enthaltenen Sarkasmus verarbeiten kann. Beim Thema Haus- und Reittiere setzt eben jenes schlichtweg aus

Nun auch noch verstimmt von diesem Seitenhieb und ihrer Naivität, darauf hereingefallen zu sein, stapft sie schweigend hinter dem Magier her, der ihr einer Antwort schuldig bleibt und somit klar macht, wie er das gemeint hat.

Eine Weile geht es so weiter, langsam gelangen sie an das Ende des Tals und die Umgebung wandelt sich etwas. Zwischen Sand und Steinen ragen immer höhere Felsen auf, bis sie in einiger Entfernung wieder Felswände vor sich sehen.

Gerade will Leliana den Mund öffnen, um nochmal zu betonen, dass sie das Gefühl nicht los wird, sich auf einem Irrweg ins Nirgendwo zu befinden, da lässt sie eine schnelle Geste des Magiers stumm bleiben, ehe sie überhaupt mit dem ersten Ton beginnen kann.

Lautlos deutet er nach vorn – in Richtung einer mit vier Felsen umsäumten Steinformation. Angestrengt starrt sie in die Ferne um zu erkennen, was er ihr zeigen möchte. Es vergehen ein paar Augenblicke, bevor sie es sehen und hören kann. Zwischen den Felsen, hinter einer ausgedorrten Gestrüppwucherung, befindet sich der Eingang zu einer Höhle. Daraus erklingen Laute, wie sie von einem Rudel Wölfe zu erwarten wären.

„Meinst du, wir finden Tac da drinnen? Oder Aktanaruell?“, flüstert Leliana aufgeregt und beobachtet zeitgleich, wie drei Wölfe aus der Höhle rennen, im Nacken sitzt ihnen ein vierter, weitaus größerer - fast schon humaniod wirkt er auf sie.

Knurrend und bellend geht die Verfolgung ein paar Meter, dann gellt ein lautes Jaulen durch die Luft und schließlich jämmerliches Winseln, als einer der Wölfe unter dem Gewicht des großen Kontrahenten zu Boden geht. Den Rest des Kampfes verdecken weitere Felsen, doch das hält Amazeran nicht davon ab, sein magisches Blinzeln zu verwenden, um dem Geschehen näher zu kommen.

„Verdammte Magier...“, flucht Leliana leise, als sie ihn und gleich seinen gesamten Zirkel verwünscht, da ihr Teleportationszauber deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt und angesichts des hohen Kampftempos, das gerade stattfindet, keine wirkliche Alternative bietet um schnell voran zu kommen.

So eilig ihre Beine sie tragen flitzt Leliana voran, nur um zu sehen, dass Amazeran sich dem Kampf anzuschließen scheint. Ohne zu überlegen, folgt sie seinem Beispiel im Vertrauen auf sein Urteil.

Ihre Flüche treffen den letzten der Wölfe, der sich in das hintere Bein des großen zu verbeißen droht. Zunächst irritiert zuckt er zurück, dann startet er einen weiteren Angriff – aufgehalten wird er von Haanam, Lelianas Teufelshund, der sich ins Getümmel stürzt. Scheinbar haben ihre Zauber gegen diese Wesen noch Wirkung, denn krampfartig zuckt der verfluchte Wolf zusammen, ein eindeutiges Zeichen, dass Agonie und Verderbnis ihn verzehren. Auf einen Verdacht hin sammelt Leliana ihre Kräfte und entzieht dem geschwächten Gegner die Seele. Ein Gefühl der Macht durchdringt ihre Adern, als die Magie in ihr aufsteigt. Ohne Zwischenfälle gelingt es ihr, sich mit der entzogenen Seele des Wolfes zu stärken. Solchermaßen beschwingt, wendet sie sich dem nächsten zu – jedoch nur um festzustellen, dass außer ihr, Amazeran und dem größten der Wölfe niemand mehr übrig zu sein scheint.

Letzterer macht nun auf dem Absatz kehrt, nachdem er einen großen Brocken Fleisch aus dem Kadaver seines Feindes gerissen und gierig heruntergeschlungen hat. Angewidert schaut Leliana zu ihrem magischen Begleiter, der nur mit den Schultern zuckt und die Verfolgung aufnimmt.

„Was hast du vor?“, will sie wissen und schließt zu ihm auf, während er auf den Höhleneingang zu hält.

„Ich habe da so eine Ahnung“, sagt er bloß und verschwindet hinter dem Gebüsch, das den Eingang zur Höhle nur mehr schlecht als recht verdeckt, nachdem etliche Vierbeiner hindurch geprescht sind.

Darin sieht er allenfalls die Umgebung der nächsten fünf Handbreit, bevor sich alles in tiefem Schwarz verliert. Es riecht leicht modrig, fast schon faulig, je tiefer sie kommen. Unebenheiten lassen jeden Schritt zur Zitterpartie werden, und so atmet Leliana erleichtert auf, als Amazeran eine kleine Lichtkugel erschafft, die ihnen den Weg leuchtet. Dem stets strenger werdenden Gestank zufolge bereut sie ihr tiefes Einatmen jedoch auf der Stelle und sie hält sich die Hand vor den Mund.

Das Klirren von Eis ist zu vernehmen und angenehm frische Luft erfüllt die unmittelbare Umgebung des Magiers, der sich eines Zaubers bedient, der ihm einen Schutzschild gewährt und den positiven Effekt hat, alle widerlichen Eigenheiten der Höhle von ihm fernzuhalten.

Erneut ein Gefühl des Neids unterdrückend, kramt Leliana hastig in einer Falte ihrer Robe. Irgendwo hat sie doch noch ein paar duftende Kräuter versteckt, die sich sie unter die Nase halten kann…

An den Wänden links und rechts säumen abgenagte Skelette jeglicher Form und Größe ihren Weg. Offenbar dient diese Höhle schon seit einiger Zeit als Unterschlupf für hungrige Fleischfresser.

"Meinst du, das hier ist eine gute Idee?", flüstert Leliana sorgenvoll.

"Schht, hörst du das?", raunt der Magier zurück und sie lauscht angestrengt.

Konnte das wirklich sein..? Sie hält den Atem an, um noch besser wahrnehmen zu können, was da aus einiger Entfernung an ihr Gehör dringt und wird plötzlich ganz aufgeregt.

"Das klingt nach Tac!", wispert sie und folgt dem nickenden Amazeran, der sich anschickt, weiter zu laufen.

"... hab ich euch gleich gesagt!", vernehmen sie plötzlich eine andere Stimme - diesmal weiblich.

"...konnten ja nicht wissen...", kommt ein nächster Gesprächsfetzen bei ihnen an, bis schließlich ein markantes: "Jetzt nehmt endlich dieses VIEH von meinem Sockel!" ertönt.

Als die beiden schließlich um eine letzte Windung biegen, die ihr Weg bereithält, bleiben sie ob der sich ihnen bietenden Szene wie angewurzelt stehen...

"Es gibt Menschen, die es nie begreifen
Wir bewerfen sie mit Ziegelsteinen!
Dafür muss man nicht mal auf die Straße gehen -
Ach wie gut, dass wir im Glashaus leben!"