Mord!

Liebes Tagebuch,


heute will ich dir erzählen, wie ich gestorben bin.


Diese Geschichte beginnt (und endet tragisch) in einer kleinen Jugendherberge irgendwo im Sauerland. Außer mir befanden sich dort noch einige weitere Mitglieder der Sturmwächter. Vielleicht hätte die Tatsache, dass unser ehemaliger Gildenleiter Milena einfach nicht zu diesem lange geplanten Treffen erschienen ist, eine Warnung für uns sein sollen. Denn keiner von uns kann sicher sagen, ob die geschriebene Nachricht mit seiner Absage, welche uns am Treffpunkt bereits erwartete, auch wirklich von ihm persönlich verfasst wurde. Auch der seltsame Umstand, dass die Herberge anscheinend auf einem alten Friedhof errichtet wurde, sollte uns allen erst viel zu spät zu denken geben. Ein paar alte verwitterte Grabsteine konnte man bei genauem Hinsehen um das Haus herum finden. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass diese bald unsere Namen tragen würden...


Aber ich schweife ab.


Wir verbrachten also einen zugegebenermaßen sehr angenehmen Nachmittag und auch Abend miteinander. Spiele wurden gespielt. Anregende Gespräche geführt. Kleinere Unternehmungen gestartet. Alle hatten Spaß mit einander. So hatte es jedenfalls den Anschein. Der Abend war schon längst herein gebrochen, als wir einen schrecklichen Schrei vernahmen. Sofort unterbrachen wir unser Spiel und rannten nach draußen. Direkt vor der Haustür fanden wir ihn. Sturmbringer. Mit einer übel anzusehenden Kopfverletzung. Der Aschenbecher lag blutverschmiert auf den Stufen neben ihm. Er war tot. Von seinem Mörder keine Spur. Einige von uns würden jedoch schwören, dass Tachauch zuletzt gesehen wurde, wie sie gemeinsam mit Sturmbringer das Haus zum Rauchen verließ. Jedoch ließen sich keine Beweise für diese Vermutung finden. Es versuchte also jeder für sich diese schreckliche Tatsache zu verarbeiten. Der restliche Abend blieb ruhig und schon bald glaubte keiner mehr daran, dass wir einen Mörder unter uns haben könnten.


Doch am nächsten Tag überschlugen sich die Ereignisse. Es begann schon im Morgengrauen, als wir Leliana in ihrem Zimmer fanden. An einem Zopfgummi aufgehängt baumelte sie am Deckenbalken. Wie konnte das passieren? Ich kann es mir nicht erklären. Wir teilten uns des nachts stets ein Zimmer. Als ich zum Frühstück aufgebrochen war, hatte Leliana noch friedlich in ihrem Bett geschlummert. Das war es jedenfalls, was ich den anderen verkündete. Vielleicht ein Selbstmord, weil sie den grausamen und plötzlichen Tod von Sturmbringer nicht verkraften konnte? Alle glaubten daran. Und versuchten, wie bereits am Abend zuvor, einfach weiter zu machen. Tragische Unfälle passieren nun mal. Kein Grund, sich verrückt zu machen. Dass die Namen der Verstorbenen wie von Geisterhand auf den bereits erwähnten Grabsteinen auftauchten, sahen nur die Hunde, welche von ihren Herrchen und Frauchen tagtäglich an ihnen vorbei Gassi geführt werden. Und mein kleines dunkles Geheimnis verwahrte ich unterdessen gut.


Schon bald wollten wir aufbrechen und eine Tropfsteinhöhle erkunden. Wer ein guter Sturmwächter sein will, muss schließlich ab und zu ein paar Abenteuer bestehen. Jeder packte seine Sachen ein und wir versammelten uns. Bereit für den Aufbruch. Aber moment... Eine Person fehlte. Wir konnten Tac nirgends finden. Wollte er nicht nur nochmal schnell auf die Toilette? Oder nein... Er wollte die Kamera holen. Am Fuße der Treppe zu unseren Schlafzimmern lag er. Voller Prellungen, blauer Flecke und Beulen. Nicht ansprechbar. Und wie sich bald heraus stellte auch nicht mehr lebendig. Allem Anschein nach ist er die Treppe hinunter gestürzt. Was diesen Sturz verursacht haben könnte, ist jedoch bis heute ungeklärt. In seiner Nähe fanden wir lediglich die Kamera, welche er für uns holen wollte. Der Blitz war noch warm. Er muss kurz vor dem Unglück noch benutzt worden sein. Nur von wem? Wollte Tac ein Treppen-Selfie machen und hat dabei das Gleichgewicht verloren? Oder sollte die perfide Tat eines feigen Mörders für immer festgehalten werden? Wir sollten es nie erfahren, denn die Speicherkarte der Kamera war verschwunden.


Nichts desto trotz setzten wir unseren Weg zur Tropfsteinhöhle fort. Schließlich hatten wir dort einen Auftrag zu erledigen. Wir sollten zu Analysezwecken die Haare derer sammeln, welche sich während der Führungen den Kopf an den niedrig hängenden Steinen der Höhle gestoßen haben. Dies konnte auch ohne weitere Zwischenfälle erfüllt werden. Doch während wir uns in der Höhle befanden, spürte ich immer wieder eine seltsame Regung in mir. Ich erwischte mich dabei, wie ich immer wieder verstohlene Blicke auf unseren Gildenleiter Callahan warf. Blicke voller Hass. Das Verlangen nach Blut kam in mir hoch. Ich erinnerte mich plötzlich an Dinge, die er mir im vergangenen Jahr angetan hatte. Dinge, über die ich nie mit jemandem sprechen konnte. Rache. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Diese dunkle Höhle ist der perfekte Ort, um jemanden verschwinden zu lassen, dachte ich mir. Doch immer war sie da. Tachauch. Nie wich sie ihm von der Seite. Zeugen konnte ich nicht gebrauchen. Also musste ich warten. Aber ich habe über ein Jahr gewartet, was machen da schon ein paar weitere Stunden. Außerdem hatte ich so genügend Zeit, mir meinen Plan zurecht zu legen. Mit einem Handy wollte er mich ermorden damals. Meine Mordwaffe sollte also ähnlich subtil sein. Etwas, das jeder Mensch fast täglich bei sich trägt...


Auf dem Rückweg kamen wir mit einander ins Gespräch. Aber oh nein, was war das? Mein Schnürsenkel hatte sich geöffnet. "Halt mal eben", sagte ich zu Callahan und streckte ihm vermeindlich beiläufig meine Jacke hin, während ich mich Richtung Fuß bückte. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er die Jacke entgegen nahm. Jetzt! Ehe er wusste, was geschah, wickelte ich ihn mit einer flinken Bewegung in die Jacke ein. Was soll ich sagen. Er ist wohl erstickt. Genau weiß ich es aber nicht, denn ich musste meinen Weg schnell fortsetzen. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass Millerna, der nicht weit von uns seines Weges ging, etwas gesehen haben könnte.


Ich schaffte es, mich unauffällig wieder unter die Gruppe zu mischen und so recht schien Callahan auch keiner zu vermissen. Selbst seine Frau Tachauch fand man am Nachmittag schon wieder freudig bei einer Partie Starcraft im Gemeinschaftsraum. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass ihr dies zum Verhängnis wird. Ich selbst hielt mich derweil den Rest des Tages im Hintergrund. Noch immer ließ mich das Gefühl nicht los, Millerna könnte etwas gesehen haben, was nicht für seine Augen bestimmt war. Ich wollte nicht auffallen. Bloß kein Aufsehen erregen. Währenddessen beobachtete ich ihn genau, um heraus zu finden, ob meine Befürchtung wahr wäre. Und dann geschah es. Als würden die Spielfiguren plötzlich lebendig werden, als Millerna sie über das Spielfeld schickte. Scharenweise bewegten sie sich über den Tisch. Immer weiter auf Tachauch zu. Von der plötzlichen Lebendigkeit der Räubermaden völlig überrascht, hatte Tachauch ihrem Angriff nichts entgegen zu setzen. Sie wurde förmlich überrannt. Wie konnte Millerna nur zu so etwas fähig sein? Wenn er solche Macht besitzt, sollte ich es erst recht fürchten, dass er mein inzwischen eher großes statt kleines dunkles Geheimnis lüften könnte.


Die ganze Nacht dachte ich an nichts anders mehr. "Halte dich von Millerna fern. Komm' ihm nicht zu nahe. Nimm' bloß nichts an, was er dir gibt." Meine Gedanken kreisten nur noch darum. Sie raubten mir förmlich den Schlaf. Auch am nächsten Morgen wiederholte ich diesen Sermon immer und immer wieder. Bis... Dieser verlockende Duft aus dem Speisesaal. Ich hatte wahnsinnigen Hunger. Der Frühstückstisch war gedeckt und alles verhielt sich ruhig. Keine weiteren seltsamen Vorkommnisse. Niemand der mich komisch ansah. So wiegte ich mich in Sicherheit und dann geschah es. Das Brötchen. Ich weiß noch, wie ich danach griff... Meine Erinnerung wird trüber an dieser Stelle. Ich sah Millernas ausgestreckte Arme. Er reichte mir eines der Brötchen. Ich aß. Zu spät merkte ich, dass das Brötchen einen mir fremden Beigeschmack hatte. Er muss es vergiftet haben. Doch als mir dieser Gedanke kam, war es bereits zu spät. Ich hörte noch seine triumphierende Lache, während ich qualvoll erstickte.


Wie es nun kommt, dass ich trotzdem diese Zeilen schreibe? Ach, liebes Tagebuch, was soll ich sagen. Der Geistheiler freut sich immer über einen Besuch meinerseits. Er war es übrigens auch, der mir verriet, dass in dieser Jugendherberge häufiger Gruppen von ähnlich seltsamen Morden überrascht werden. Er sagte noch irgendetwas von dem alten Fluch eines übereifrigen Pädagogen oder so, aber da hatte ich mich schon wieder materialisiert und seine Stimme verlor sich im Wind.



An dieser Stelle folgt ein kleines OffTopic, weil es einfach so schön passt:


Herzlichen Glückwunsch Millerna aka Flo zu deinem fast schon epischen Sieg bei unserem diesjährigen Community Treffen Event "Mörderspiel"!


Autor: Jahira aka Karo